Genetische Grundlagen bei Varianten der Geschlechtsentwicklung

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REPORT


Endokrinologie Leitthema Gynäkologische Endokrinologie https://doi.org/10.1007/s10304-020-00359-2 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Redaktion T. Strowitzki, Heidelberg

Das Akronym DSD steht für „differences of sex development“ (Varianten der Geschlechtsentwicklung). Gemäß der Chicago-Konsensuskonferenz von 2005 umfassen DSD alle Konditionen, in denen die chromosomale, gonadale oder anatomische Geschlechtsentwicklung atypisch verläuft [1]. Seit dem Jahr 2016 liegt hierzu auch die S2k-Leitlinie 174/001 „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ vor [2]. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den genetischen Grundlagen, die zu solchen Veränderungen führen können.

Gene der gonadalen Determinierung und Differenzierung Ganz grundlegend ist die präpartale Formierung der Hoden oder Ovarien aus den zunächst bipotenten Gonaden abhängig vom Vorliegeneines Y-Chromosoms und der dort lokalisierten Gene. Aber auch Gene auf den Autosomen können Einfluss auf die Geschlechtsentwicklung haben. Im Folgenden und in . Abb. 1 werden einige der verantwortlichen Gene detailliert dargestellt. Eines der wichtigsten Gene ist SRY („sex determining region of Y“). Es ist auf dem Y-Chromosom Yp11.2 lokalisiert und codiert für ein DNA-bindendes Protein, das auch als testisdeterminierender Faktor (TDF) bezeichnet wird. Das Protein SRY bildet zusammen mit dem von NR5A1 („nuclear receptor subfamily 5 group A member 1“; Genlocus: 9q33.3) codierten „steroidogenic factor1“ (SF1) einen Transkriptionsfaktorkomplex (SRY-SF1), der in der Folge die Ex-

Julia Rehnitz Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Sektion Reproduktionsgenetik, Frauenklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland

Genetische Grundlagen bei Varianten der Geschlechtsentwicklung pression weiterer Transkriptionsfaktoren reguliert. Einer dieser Transkriptionsfaktoren ist im Gen SOX9 („SRY-related HMGbox 9“; Genlocus 17q24.3) codiert. An die DNA in diesem Bereich kann wiederum SRY-SF1 binden, was als „testis-specific enhancer of SOX9 core“ (TESCO) bezeichnet wird [5–8]. Außerdem ist bekannt, dass SF1 für die Expression von drei Enzymen der Kortikosteroidbiosynthese essenziell ist: 4 Cholesterinseitenkettenteilungsenzym (CYP11A1) 4 Steroid-21-Hydroxylase (CYP21A2) 4 Aldosteronsynthase-Isoenzym der Steroid-11β-Hydroxylase (CYP11B2) In der männlichen Gonade entstehen in der frühen Fetalperiode Leydig-Zellen, die Testosteron produzieren, und SertoliZellen, die Anti-Müller Hormon (AMH) sekretieren [9].

AMH inhibiert die Ausbildung »weiblicher anatomischer Strukturen AMH inhibiert die Ausbildung weiblicher anatomischer Strukturen durch Regression der Müller-Gänge, Testosteron sorgt für die typisch männliche Differenzierung. Beim Ausbleiben dieser Stimuli erfolgt eine weibliche Differenzierung. AMH wird über die Transkriptionsfaktoren WT1(–KTS) und SOX9 getriggert. WT1(–KTS) wird vom Gen WT1 (Willms-Tumor 1) codiert (Genlocus 11p13) und bindet an SF1. Dies fördert zusätzlich die AMH-Sekretion

[10]. Das Protein WT1 is