Im Schatten der Pandemie

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REPORT


Im Blickpunk t

Der zeitliche Zusammenhang mit der Influenzapandemie von 1918 lässt viele Experten vermuten, dass das Pandemievirus an der Encephalitis lethargica beteiligt war.

Encephalitis lethargica

Im Schatten der Pandemie Fast zeitgleich mit der großen Influenzapandemie von 1918 erkrankten Millionen ­Menschen an einer seltsamen Hirnentzündung. Eine Folge des Pandemievirus oder eine eigenständige Epidemie? Bis heute ist die Encephalitis lethargica ein Rätsel.

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Dies nährt B­ efürchtungen, die aktuelle Pandemie mit SARSCoV-2 könnte ebenfalls zu Syndromen wie dem Parkinson-Syndrom führen.

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m Winter 1916/1917 begann sich der Wiener Neurologe Konstantin von Economo für eine seltsame Erkrankung zu interessieren: Es kursierten Berichte über Menschen mit Schlafsucht, Fieber, Kopf- und Nackenschmerzen sowie Augenmuskellähmungen, von denen einige rasch starben, andere mit schweren Hirnschäden überlebten. Sie erinnerte ihn an die „sagenhafte Schlafkrankheit Nona, die in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Norditalien grassierte“ [1]. Nona trat zeitnah zur „Russischen Grippe“ auf, die weltweit rund eine Million Menschen tötete. Von Economo faszinierte besonders die Schlafsucht – viele Patienten berichteten zu Beginn der Akutphase über einen unbändigen Drang, sich hinzulegen, fielen in einen träumerischen Zustand, in dem sie aber oft mitbekamen, was um sie herum vorging. Diese von ihm als somnolent-ophthalmoplegisch bezeichnete Variante war offenbar am häufigsten. Gelähmt waren oft die Hirnnerven III, IV und IV. Mehr als die Hälfte der Betroffenen starb nach kurzer Zeit. Der Pionier der Hirnforschung erkannte unter dem Mikroskop im Mittelhirn Entzündungsherde und gab der Krankheit den Namen Encephalitis lethargica. Er beschrieb noch zwei weitere Formen: eine hyperkinetische Variante, beginnend mit manischen Phasen, gefolgt von Chorea, Muskelzuckungen, Vokalisationen, Myorhythmien der Augen- und Kaumusku-

latur, sowie eine amyostatisch-akinetische Form mit Parkinson-ähnlichen Bewegungsstörungen. Bei den Überlebenden klangen die Beschwerden nach einiger Zeit ab, viele entwickelten aber unmittelbar bis Jahre später ein postenzephalitisches ParkinsonSyndrom (PEP) mit Sprech-, Schlaf und psychischen Störungen. Einige blieben völlig bewegungsunfähig in ihrem Körper gefangen [2]. Die Epidemie wurde jedoch bald von einer anderen Erkrankung überschattet: In den Jahren 1918 und 1919 raste die Spanische Grippe über den Globus und forderte geschätzte 20 bis 50 Millionen Opfer. Fast zeitgleich mit der zweiten und verheerendsten Influenzawelle erreichte auch die Encephalitis lethargica zwischen Oktober 2018 und Januar 2019 ihren Höhepunkt. Wie viele Menschen daran erkrankten und starben, lässt sich nur schwer sagen, die Schätzungen reichen von einer halben Million bis zu fünf Millionen. Mitte der 1920er-Jahre war der Spuk vorbei, es blieben die Überlebenden mit PEP.

Pandemievirus an Enzephalitis beteiligt? Der zeitliche Zusammenhang mit der großen Influenzapandemie von 1918 und vielleicht auch mit der kleineren um 1890 ist