Die kleine Welt der Pandemie
Der Verlauf der Covid-19-Pandemie hat die Nebenfolgen intensiver weltweiter Verflechtung vor Augen geführt. In kurzer Zeit verbreitete sich – nach bisherigem Kenntnisstand – ausgehend von der chinesischen Provinz Hubei das SARS-CoV-2-Virus in der Region u
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Der Verlauf der Covid-19-Pandemie hat die Nebenfolgen intensiver weltweiter Verflechtung vor Augen geführt. In kurzer Zeit verbreitete sich – nach bisherigem Kenntnisstand – ausgehend von der chinesischen Provinz Hubei das SARS-CoV-2-Virus in der Region und bald darauf in der ganzen Welt. Die Ansteckung erfolgt über Kontakte zwischen Personen und damit (auch) über soziale Netzwerke. Die Maxime des ›Social Distancing‹ soll entsprechende Vorsicht nahelegen, da soziale Kontakte in Zeiten der Pandemie riskant sind: Physische Nähe schafft Gelegenheiten für eine Übertragung. Eine Ansteckung zu verhindern, so wird immer wieder betont, ist nicht nur im Interesse des Einzelnen, sondern aller: Wer als Glied einer immer mehr Personen erfassenden Infektionskette ausfällt, kann dazu beitragen, dass sich die Ausbreitung der Pandemie verlangsamt. Der Beitrag des Einzelnen wird dadurch potenziert, dass die Zahl der von ihm mittelbar Infizierten exponentiell wachsen kann: Wenn an zweiter Stelle sechs Personen angesteckt werden, die wiederum sechs Personen infizieren, so kommt man schnell von 36 auf 216 und bereits im sechsten Schritt auf 46 656 Infizierte. Die exponentielle Wachstumsdynamik allein erklärt jedoch nicht, wie die Covid-19-Pandemie sich in kurzer Zeit weltweit verbreiten konnte. Nach dem mutmaßlichen Ausbruch in der chinesischen Stadt Wuhan mussten nicht erst Hunderte Millionen Chinesen infiziert werden, bevor Infektionen in Nachbarländern und bald rund um den Globus auftraten. Die Ausbreitung vollzieht sich vielmehr nach dem Muster einer globalen Diffusion mit regionalen ›Hotspots‹, die über Infektionsketten miteinander verknüpft sind. Die Gesundheitsämter sind damit beschäftigt, diese Dynamik nachzuvollziehen. Eine der ersten Infektionsketten, die dokumentiert ist, führte von Wuhan in China nach Stockdorf in Bayern: Eine © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Stegbauer und I. Clemens (Hrsg.), Corona-Netzwerke – Gesellschaft im Zeichen des Virus, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31394-4_3
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Boris Holzer
chinesische Mitarbeiterin der Firma Webasto reiste im Januar von Schanghai zum bayerischen Firmensitz – und transportierte dabei, wie sich später herausstellte, auch das Corona-Virus, da sie einige Tage zuvor von ihren Eltern aus Wuhan besucht worden war. Ende Januar staunte man noch über die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Verbindung, inzwischen hat man sich daran gewöhnt.
Erreichbarkeit in einer kleinen Welt
Dies entspricht der Struktur jener Form sozialer Netzwerke, die als ›Small world‹-Netzwerke bezeichnet werden: Obwohl nicht jeder mit jedem direkt in Verbindung steht, ist ein beliebiger Knoten im Netzwerk in wenigen Schritten erreichbar. Für Bekanntschaften und Freundschaften konnten verschiedene Studien zeigen, dass die Annahme von ›six degrees of separation‹, also einer durchschnittlichen Distanz von sechs Zwischenschritten, eine gute Orientierung bietet: Demnach lässt sich zwischen zwei bel
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