Kawasaki-Erkrankung oder Hyperinflammations-Syndrom?

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REPORT


COVID-19

Kawasaki-Erkrankung oder Hyper­inflammations-Syndrom?

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Kinderärzte aus dem von COVID-19 stark betroffenen italienischen Bergamo sahen sich im Frühling vermehrt mit Kindern mit einer Kawasaki-ähnlichen Erkrankung konfrontiert [1]. Während zwischen 2015 und 17. Februar 2017 in Bergamo 19 Patienten mit Kawasaki-Syndrom diagnostiziert wurden, zeigten zwischen 18. Februar und 20. April 2020 zehn Kinder eine Kawasaki-ähnliche Symptomatik. Dr. Ulrich Neudorf, Kinderkardiologe und -rheumatologe an der Klinik für Kinderheilkunde III, Universitätsklinikum Essen, hat an der Erstellung der deutschen Leitlinie zum Kawasaki Syndrom [2] mitgearbeitet und erklärte im Gespräch wie die italienische Publikation einzuordnen ist.

Dr. Ulrich Neudorf

Erstveröffentlichung in rheuma plus 2020 · 19 :122–123 https:// doi.org/10.1007/ s12688-020-00353-3 © Springer-Verlag GmbH Austria, ein Teil von Springer Nature 2020

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Was sind die aus Ihrer Sicht relevanten Beobachtungen der Lancet-Studie zum Ausbruch einer Kawasaki-ähnlichen Erkrankung in Bergamo? Neudorf: Das Problem, das ich mit dieser Studie habe, ist, dass sie mir aus prinzipiellen Überlegungen nicht logisch erscheint. Denn formal gesehen handelt es sich beim Kawasaki-Syndrom um eine Erkrankung mit unklarer Ursache, unklarem Fieber und einer Vaskulitis mittelgroßer Gefäße. Das bedeutet, dass mit einem positiven Nachweis auf SARS-CoV-2 die Diagnose Kawasaki -Syndrom nicht zu stellen ist, da mit COVID-19 die Hypothese einer Ursache aufgestellt ist. Schon vor SARS-CoV-2 gab es Virusinfekte – Hantaviren und andere – die das klinische Bild einer Kawasaki-Erkrankung zeigten. Bei der Lancet-Studie sehen wir, dass die Kawasaki-Patienten vor COVID-19 deutlich jünger sind als die Patienten, die Kawasaki-artige Symptome während der COVID19-Infektion aufwiesen. Das Kawasaki-Syndrom betrifft im Wesentlichen Kinder unter fünf Jahren. Das Alter der mit COVID-19 assoziierten Patienten ist höher und bei ihnen scheinen neben mittelgroßen Gefäße auch andere von einer Entzündung betroffen zu sein. Ich finde die Lancet-Studie interessant, aber durchaus schwierig zu bewerten. Man könnte möglicher-

Pädiatrie & Pädologie 5 · 2020

weise sagen, dass SARS-CoV-2 eine Erkrankung auslösen kann, die vom Erscheinungsbild her dem Kawasaki-Syndrom ähnelt und die notwendigen klinischen Kriterien erfüllt, – aber es bleiben die Fragen, ob man diese Erkrankung auch Kawasaki-Syndrom nennen und auch so behandeln sollte? Das scheint von den italienischen Kollegen so gehandhabt worden zu sein. Es gibt auf der anderen Seite eine gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler vom 6.  Mai, in der diese Symptome „Hyperinflammationssyndrom im Zusammenhang mit COVID-19“ genannt werden [3]. Diese Bezeichnung erscheint mir passender. Beschreibt das „Hyperinflammationssyndrom im Zusammenhang mit COVID-19“ dieselben Symptome, die von den Autoren der Lancet-Studie aufgegriffen wurden? Neudo