Buchrezension zu: Der Ruf der Kraniche

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Buchrezension zu: Der Ruf der Kranische

© Goldmann

Der Ruf der Kraniche Expeditionen in eine geheimnisvolle Welt Bernhard Weßling 412 S., Goldmann, 2020. HC mit SU, 20,–– O. ISBN: 9783442115437 DOI: 10.1007/s12268-020-1448-5 © Springer-Verlag GmbH 2020

ó Können Tiere sprechen? Wohl eher nicht. Syntax und Semantik machen eine Sprache aus. Akustische und optische Elemente müssen systematisch so geordnet sein, dass sinnvoll Information zwischen Lebewesen kommuniziert werden kann. Nur in der Märchenwelt sprechen Tiere. Aber immer wieder suchen Forscher nach derartiger Kommunikation. Die Forschung ging zahlreichen ersten Hinweisen auf sprachliche Kommunikation nach, etwa bei Walen und Delfinen sowie bei Vögeln und Schimpansen. Letztere warnen ihre Artgenossen durchaus durch spezielle Laute – je nachdem ob Gefahr droht, z. B. von unten von einer Schlange oder von oben von einem Raubvogel. Aber das ist nicht Sprache, eher artspezifisches „Verhalten“, erlernbar durch Nachahmung. Der Schwänzeltanz der Bienen kommuniziert einem Bienenvolk, in welcher Himmelsrichtung und Entfernung ergiebige Honig- und Pollenquellen zu finden sind. Darüber hinaus wird kaum etwas kommuniziert. Sprache ist ein Artspezifikum des Menschen. Bernhard Weßling, promovierter Chemiker, folgt seit Jahrzehnten dem „Ruf der Kraniche“. Er wohnt am nördlichen Rand Hamburgs, BIOspektrum | 06.20 | 26. Jahrgang

wo sich in den Moor- und Sumpfgebieten des Duvenstedter und Hansdorfer Brooks einige der letzten Nistgebiete der Kraniche in unserem Lande befinden. In den genannten Gebieten und im Brandenburgischen Havelland hört man noch die wilden Schreie dieser so elegant fliegenden großen Vögel. Hier studiert Weßling ihr Verhalten und analysiert mit modernsten Methoden die Akustik ihrer Kommunikation. In seinem Buch teilt er uns ausführlich und in verständlicher Sprache seine Beobachtungen mit. Sein Werkzeug ist die Sonografie: Er zeichnet die Laute der Kraniche nicht nur digital auf CD auf, sondern auch analog – durch Registrierung der Tonhöhen und -abläufe auf Papier. Unser Auge sieht sehr viel präziser Muster auf Papier als das Ohr reproduzierbare, mitunter sehr kurze und leise, Tonfolgen hört. Er findet durchaus nichts, das einer „Sprache“ ähnelt. Er weist aber nach, dass es z. B. individuelle, über Jahre reproduzierbare Gesänge gibt; dass Paare sich über einen „Duettgesang“ einander und ihres gemeinsamen Reviers „vergewissern“; dass sie vor dem gemeinsamen Abflug kaum hörbare Laute austauschen. Weßling schildert in seinem Buch eine Fülle intelligenten Verhaltens, ohne jemals der Versuchung der „Vermenschlichung“ zu erliegen. Es ist kein Buch für Kinder mit rührenden Tiergeschichten. Zweifellos werden einige professionelle Verhaltensforscher die Nase rümpfen und gewisse anthropomorphe Überinterpretationen des Amateurs, des Chemikers Weßling, kritisieren. Sein Buch ist jedoch grundsolide und strahlt darüber hinaus eine warme Liebe zur Natur aus, einen tief empfundenen Respekt vor ihren Wundern und ihrer berührenden Schönheit. Ein sehr empfehlenswertes Buch! ó Ferdin

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