Einkommensungleichheit in der EU
- PDF / 186,328 Bytes
- 5 Pages / 595.276 x 785.197 pts Page_size
- 84 Downloads / 170 Views
DOI: 10.1007/s10273-020-2722-3
Michael Dauderstädt
Einkommensungleichheit in der EU Die großen Einkommensunterschiede in der Europäischen Union sind maßgebliche Treiber der innereuropäischen Migration und Standortkonkurrenz. Beides hat ärmere Menschen in den reicheren Mitgliedstaaten beunruhigt. In Großbritannien war die Einwanderung ein Hauptmotiv für den Brexit. Der Stand und die Entwicklung der europaweiten Einkommensverteilung zeigt, dass die Ungleichheit in der EU insgesamt höher ist als innerhalb der Mitgliedstaaten. Sie erreicht oder überschreitet sogar das Niveau der USA.
Wie hat sich die Einkommensverteilung in der Europäischen Union insgesamt entwickelt? Eine solche Analyse erfordert – im Vergleich zur innerstaatlichen Einkommensverteilung – andere Konzepte und eine entsprechende Anwendung der gewählten Messgrößen, um sowohl die Einkommensunterscheide innerhalb als auch zwischen den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen.
die beachtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten vernachlässigt (so liegt das Pro-Kopf-Einkommen von Bulgarien bei etwa einem Fünftel Deutschlands). Auf diese verzerrende Diskrepanz haben schon verschiedene Autoren hingewiesen, so etwa neben Dauderstädt (2008), Atkinson (2010, 109) oder Darvas (2016, 10, 35). Im Folgenden wird die europaweite Ungleichheit als Kombination der inner- und zwischenstaatlichen Ungleichheit betrachtet.
Internationale Ungleichheit: Konzept und Indikatoren Im Standardwerk „Worlds Apart. Measuring International and Global Inequality“ unterscheidet Milanovic (2005) drei Konzepte internationaler Ungleichheit, die ungewichtete und die mit der Bevölkerung gewichtete Ungleichheit zwischen Ländern und die „wahre“ Ungleichheit, die die inner- und zwischenstaatliche Ungleichheit kombiniert und die (globale) Verteilung abbildet. Analog kann und sollte man bei der EU vorgehen. Auch die europaweite Ungleichheit muss die Einkommensverteilung innerhalb der Mitgliedstaaten und die Einkommensunterschiede zwischen ihnen berücksichtigen (vgl. Kasten 1). Diese Unterscheidung ist nicht trivial. Eurostat gibt keine korrekten Werte für die „wahre“ europaweite Ungleichheit an, sondern wählt für die EU insgesamt die mit der Bevölkerung gewichteten Durchschnitte der nationalen Werte, die deutlich unter dem „wahren“ Wert liegen, da dieser Ansatz © Der/die Autor(en) 2020. Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https:// creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht. Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.
Dr. Michael Dauderstädt ist freiberuflicher Publizist und Berater. Bis 2013 leitete er die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Zur Messung der Ungleichheit bietet sich eine Fülle von Indikatoren an. Die wichtigsten und gebräuchlichsten sind die Standardabweichung, der Gini-Koeffizient (0 für Gleichverteilung; 1 für maximale Ungleichheit), der Theil-Index1 und diverse Quintilverhältnisse. Zu den letzteren zählen die S80/S20Quote
Data Loading...