Streit um Benjamin Brittens Herzklappe
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Streit um Benjamin Brittens Herzklappe War Benjamin Brittens Herzinsuffizienz Ausdruck einer tertiären Syphilis? Darum entspann sich zum 100. Geburtstag des Komponisten ein Streit, in den ehemalige Ärzte Brittens involviert waren.
Benjamin Britten (1913–1976) gilt als der größte englische Komponist seit Henry Purcell (1659–1695) und Georg Friedrich Händel (1685–1759)*. Britten starb 1976 im Alter von 63 Jahren an einer Herzin suffizienz, nachdem er drei Jahre zuvor eine neue Aortenklappe erhalten hatte. Später gab es Spekulationen darüber, was zur Aortenklappeninsuffizienz geführt habe. Diese heftige, in öffentlichen und in Fachmedien geführte Diskussion sagt weniger etwas aus über Britten selbst, sein Leben und seine Krankheit. Interes sant ist der Subtext, in dem es um Sexual moral und Geschlechtskrankheiten geht und vermutlich auch um Eitelkeiten. Dies übrigens im Jahre 2013, dem hundertsten Geburtstagsjubiläum Brittens.
War die Aortenklappeninsuffizienz Folge einer Syphiliserkrankung?
Was war passiert? In seiner zum Jubilä um erschienenen Biografie „Benjamin Britten: A Life in the 20th Century“ be hauptet Autor Paul Kildea unter Bezug auf Aussagen von Donald Ross, einem Pi onier der Herzchirurgie, und dem Ope rateur Brittens, die Aortenklappeninsuf fizienz sei Folge einer Syphiliserkran kung gewesen. Der Kardiologe Michael Petch vom Queen Elizabeth Hospital in Norfolk, der Britten die letzten drei Le bensjahre betreut hatte, erklärte hinge gen dem „Guardian“, dies sei „extrem un wahrscheinlich“. Es sei „vollkommener Blödsinn“, dass Ross intraoperative Beob achtungen den mitbehandelnden Ärzten bewusst verheimlicht habe. Ross selbst konnte damals aus gesundheitlichen *Georg Friedrich Händel war 32 Jahre lang britischer Staatsbürger.
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Gründen dazu nicht mehr befragt wer den, er starb 2014. Britten lebte seit 1937 mit seinem Le bensgefährten Peter Pears (1910–1986) zusammen, einem Tenor, für den der Komponist viele seiner Opernpartien und Lieder geschrieben hatte. Im Jahre 1940, Britten lebte in Amerika, erkrank te er an einer Tonsillitis, begleitet von – nach eigenen Worten – „mentaler Ver wirrung“. Diese Diagnose wurde in der neuen Biografie von Kildea umgedeutet.
Die Experten haben unterschiedliche Meinungen
Ross soll behauptet haben, während der Operation im Mai 1973 habe die Aorta „komplett syphilitisch“ ausgesehen. In der Tat tritt bei etwa 10% der unbehandel ten Patienten als Spätfolge eine kardiovas kuläre Syphilis auf, unter Umständen mit entzündlichen und aneurysmatischen Veränderungen der Aorta ascendens. Ein mit Ross befreundeter Kardiologe, Hywel Davies, habe einige Jahre nach der Ope ration die angeblich geheim gehaltene Di agnose bestätigt. Allerdings soll Davies damals gar nicht direkt mit Britten befasst gewesen sein. Michael Petch erklärte mit Verweis auf den Operationsbericht und die medizinischen Unterlagen, es habe weder serologische noch bakteriologische, pathologische oder histologische Hinwei se auf Syphilis gegeben. „Wenn Ross angenommen hätte
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