Diese Placebotypen sollten Sie kennen

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REPORT


Im Blickpunk t

Offen, methodisch, unrein

Diese Placebotypen sollten Sie kennen Immer wieder wird in Deutschland über die Erstattungsfähigkeit von ­Homöopathika diskutiert. In diesem Zusammenhang könnte das Konzept der „offenen Placebos“ noch eine wichtige Rolle spielen. Was sich dahinter verbirgt – und was es in puncto Placeboforschung sonst noch Neues gibt, lesen Sie im folgenden Beitrag.

„D „Das war kein Zucker, das war Medizin!“

as war kein Zucker, das war Medizin!“, würde der Versuchsteilnehmer am Ende der Studie zu Pro­tokoll geben. Hätte es sich um Zuckerpillen gehandelt, so seine feste Überzeu­ gung, wären seine psychischen Probleme doch wohl kaum besser geworden. Dass Probanden in Arzneimittelversuchen spe­ kulieren, ob sie mit Placebo oder Verum behandelt werden, ist nicht ungewöhnlich – und natürlich auch nicht, dass sie dafür bewerten, ob ihre jeweili­ gen ­Beschwerden sich verändert haben oder nicht. Das Kuriose am obigen Fall ist etwas ganz Anderes: Die Behandler um Lee C. Park, Baltimore/USA, hat­ ten allen Probanden in ihrer kleinen psychiatrischen Studie (n  =  15) wahrheitsgemäß und explizit mit­ geteilt, dass sie i­ hnen lediglich Placebos (Zuckerpil­ len) verabreichen würden; trotzdem besserte sich bei fast ­a llen die seelische Verfassung [Park LC et al. Arch Gen Psychiatry. 1965;12: 36–45]. Was steckt ­dahinter?

Ein Glaubenssatz gerät ins Wanken Dass Substanzen wie Zuckerpillen, von denen man ausgeht, dass sie keine direkte pharmakologische Wirkung entfalten, gewisse Leiden lindern können,

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ist ein gut erforschtes Phänomen. Allerdings galt lange Zeit (implizit) das Dogma: Ein Placeboeffekt greift nur, wenn die Behandelten glauben, sie erhiel­ ten ein richtiges Medikament – beziehungsweise wenn sie sich dessen zumindest nicht sicher sein können (etwa durch die Verblindung in Studien). Die Studie von Park und Kollegen kratzte in den 1960er-Jahren erstmals ein bisschen an diesem Dog­ ma; zeitgenössische Forscher beeindruckte sie aber offenbar nur wenig (vielleicht auch aufgrund me­ thodischer Unzulänglichkeiten; s. u.). Denn die zweite Studie zum Thema legte ein knappes halbes Jahrhundert später der Mediziner Ted J. Kaptchuk, Boston/USA, auf. Er behandelte 80 Patientinnen, die am Reizdarmsyndrom litten, mit offen verab­ reichten Placebos (OLP, „open-label placebos“) [Kaptchuk TJ et al. PLoS One. 2010; 5: e15591]. Patientinnen in der OLP-Gruppe erfuhren dabei eine ­signifikant größere Linderung ihrer Darm­ beschwerden als jene in der Kontroll­gruppe (gleiche Qualität der Betreuungskontakte, aber keine OLP). Die Rationale für die ungewöhnliche Therapie hatten die Forscher den Frauen in der OLP-Gruppe wie folgt e­rklärt: „Für i­nerte/inaktive Placebopillen, zum Beispiel Zuckerpillen, wurde in gründlicher hautnah dermatologie  2020; 36 (5)

Tab. 1: Empfehlungen einer internationalen Expertengruppe zum Umgang mit Placebo- und ­Noceboeffekten in der klinischen Praxis Dos

Ziehen Sie Placeboeffekte als Teil der regulären Behandlung in Betracht. Informieren Sie Patienten über Placebo- und Nocebo