Emanzipation oder Reaktion: Wie konservativ ist die deliberative Demokratie?

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Emanzipation oder Reaktion: Wie konservativ ist die deliberative Demokratie? Andreas Schäfer · Wolfgang Merkel

© Der/die Autor(en) 2020

Zusammenfassung Ist die deliberative Demokratie ein konservatives Modell? Beruht es auf Mechanismen, die in systematischer Weise seinen emanzipatorischen Anspruch unterminieren? Der Aufsatz beantwortet diese Frage im Anschluss an KritikerInnen der deliberativen Demokratie in Hinblick auf drei Dimensionen. Die zeitliche Dimension betreffend wird untersucht, inwieweit das deliberative Modell einen den Status quo bewahrenden Charakter hat. In der sachlichen Dimension wird eine Tendenz zur Entpolitisierung diskutiert. Für die soziale Dimension thematisiert der Aufsatz die potenzielle Exklusion bestimmter sozialer Gruppen und ihrer Perspektiven aus dem Deliberationsprozess. In Auseinandersetzung mit einschlägigen Ansätzen der deliberativen Demokratietheorie und mit Befunden der empirischen Deliberationsforschung gelangt der Aufsatz zu einem differenzierten Bild. Demnach lassen sich potenziell konservierende Tendenzen in der deliberativen Demokratie auffinden. Gleichzeitig wird argumentiert, dass diese Tendenzen vermeidbar sind, wenn einerseits das genuin kritische Potenzial deliberativer Praxis gegenüber anderen Elementen des Modells hervorgehoben und andererseits die Notwendigkeit der institutionellen Einbettung deliberativer Prozesse in Verfahren der repräsentativen Demokratie berücksichtigt wird. Schlüsselwörter Inklusion · Exklusion · Ungleichheit · Systemische Wende · Demokratische Innovationen

A. Schäfer () Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] W. Merkel Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Reichpietschufer 50, 10785 Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected]

K

A. Schäfer, W. Merkel

Emancipation or Reaction: How Conservative is Deliberative Democracy? Abstract Is deliberative democracy a conservative model? Is it based on mechanisms that systematically undermine its emancipatory claim? Drawing on the work of critics of deliberative democracy, this essay answers those questions by considering three distinct dimensions of the problem. First, with regard to the temporal dimension, it examines the extent to which the deliberative model tends to uphold the status quo. Then, as far as the material dimension is concerned, it considers whether deliberative democracy encourages depoliticization. Finally, the essay investigates the social dimension: Are certain social groups and their perspectives potentially excluded from the deliberation process. By examing relevant approaches taken both by theorists of deliberative democracy and empirical research on its actual implementations, the authors reach some nuanced conclusions. While it is true that potentially conservative tendencies can be identified in deliberative democracy, those tendencies can be avoided in two ways. First, the genuinely critical potential of deliberative practice must be emphasized in preference to other elements o