Gutachterliche Kollisionen mit Schizophrenie
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BLITZLICHT
Gutachterliche Kollisionen mit Schizophrenie Hans-Ludwig Kröber1 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020
Lange Zeit war ich der Überzeugung, einem ausgebildeten Psychiater gegenüber kann man keine Schizophrenie simulieren; er wird also als Gutachter keinen Simulanten für schuldunfähig erklären. Wenn er aber einem wirklich Schizophrenen gegenübersteht, der in psychotischer Verfassung eine rechtswidrige Tat begangen hat, wird er dem Gericht erklären können, warum er schuldunfähig war – selbst wenn er eine wirklich skandalös erscheinende Tat begangen hat. Eine paranoide Psychose zu simulieren, setzt Vertrautheit mit psychotisch Kranken voraus und ist nur sehr schwer 24 h am Tag und 7 Tage die Woche durchzuhalten; man hat eigentlich nur eine Chance, wenn man einer kompetenten stationären Beobachtung entgeht. Die meisten Laien glauben, Schizophrenie ist, wenn man optische Halluzinationen hat oder wenn man befehlende Stimmen hört. Das ist dann ein bisschen wenig. Ein Heranwachsender, gegen den noch sechs unerledigte Verfahren wegen jugendlicher Raubdelikte anhängig waren, schloss sich einer Drückerkolonne an, besuchte eine alte Dame abends ein zweites Mal, beraubte und erwürgte sie. Prompt in Haft gekommen, berichtete er seinem Anwalt, dass nachts Teufel in seine Zelle kämen und ihm Angst einjagten. Ein Gutachter wurde bestellt und führte ein klärendes Gespräch mit dem jungen Mann, fragte ihn, ob die Teufel durchsichtig seien oder kompakt, ob er durch die Teufel hindurch den Türknauf sehen könne. Bereits hier geriet der Proband ins Stocken, er wusste die richtige Antwort nicht, und er wusste nicht, dass es keine richtige Antwort gibt. Die Sache wurde schließlich fallengelassen, er habe sich wohl getäuscht. Mehr Erfolg hatte ein 1,0er-Abiturient und dann Physikstudent, der sehr raffiniert den perfekten Mord an der ihn verlassenden Geliebten durchführen wollte, aber nur den Mord schaffte und eine Stunde nach der Tat festgenom Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber
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Zentrum für Forensisch-Psychiatrische Begutachtung (ZFPB), Schloßstraße 50, 12165 Berlin, Deutschland
men wurde. Sechs Monate später war die Sache anklagereif; erst jetzt wurde, von der Kammer, ein psychiatrischer Gutachter bestellt, zur Abklärung der Beziehungstat. Nun aber teilte der Verteidiger mit, sein Mandant habe ihm erzählt, dass ihm inzwischen stets gegen Mitternacht in seiner Zelle die Getötete erscheine und dastehe und rauche und ihn anblicke. Er habe das auch erst nicht glauben wollen, aber wenige Tage später beim nächsten Gespräch habe sein Mandant ihm die Wunden auf seinem Handrücken gezeigt, die daher rührten, dass die Tote ihre Zigaretten auf seinem Handrücken ausgedrückt und ihren Besuch dergestalt nachgewiesen habe. Der psychiatrische Kollege ließ sich das dann vom Probanden selbst schildern, erklärte, der Proband leide unter „Wahnwahrnehmungen“ und müsse dringend neuroleptisch behandelt werden. Das erfolgte prompt. Der erste Hauptverhandlungstermin musste abgebrochen werden, weil der Angekl
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