Hodentorsion - ein Behandlungsfehler?
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Alles, was Recht ist
Hodentorsion – ein Behandlungsfehler? Auch wenn man schon bei der ersten Vorstellung eines Patienten alle gebotenen Untersuchungen durchführt, kann es bei einer z eitnahen Wiedervorstellung geboten sein, diese zu wiederholen.
E
in 15-jähriger Patient kam wegen starker Schmerzen im Unterbauch/ Leistenbereich ohne Erbrechen oder Durchfall zum kinderärzt lichen Kliniknotdienst. Der Beklagte tastete Unterbauch und Hoden ab. Zudem nahm er eine rektale Untersuchung sowie eine Urin- und Ultraschalluntersuchung des Unterbauches vor. Er ging von Verdauungsproblemen aus, verordnete ein Klistier und trug dem Patienten auf, bei anhaltenden Beschwerden wiederzukommen. Am Abend wurde der Patient erneut vorstellig, da die Schmerzen zunahmen und er sich übergeben hatte. Der beklagte Arzt untersuchte nochmals den Bauch, der aber weich war. Der Patient sollte sich wieder melden, falls sich dies ändere beziehungsweise keine Besserung einträte. Am Folgetag ging der Kläger zum Hausarzt, der eine Samenleiterentzündung vermutete und ein Antibiotikum verordnete. Da Besserung ausblieb, wurde der Junge am nächsten Tag zum Urologen überwiesen, der wieder einen Tag später einen um das Dreifache vergrößerten, druckdolenten Hoden und Nebenhoden feststellte. Mit der Diagnose „Hodentorsion, differenzialdiagnostisch massive Epididymitis“, wurde der Patient umgehend stationär aufgenommen. Beidseitig wurde der Hoden operativ freigelegt. Ein Hoden war torquiert und nicht mehr erhaltenswert, sodass eine Ablatio testis rechts folgte.
So sah das Gericht den Fall Das LG Bielefeld wies die Klage ab, obwohl es einen Behandlungsfehler sah (Urt. v. 27.9.2016, Az. 4 O 299/13). Trotzdem konnte der Kläger nicht beweisen, dass ihm daraus ein Schaden entstanden URO-NEWS 2020; 24 (9)
war, der über seine Grunderkrankungslage hinausreichte. Die Beweisaufnahme unter Bewertung der Behandlungsunterlagen, der Anhörung der Parteien und der Zeugen ergab, dass die Untersuchung bei der Erstvorstellung ohne reaktionspflichtige Auffälligkeiten verlief. Vor allem waren keine Schmerzen am Hoden festzustellen. Dieser Zustand war der medizinischen Beurteilung zugrunde zu legen. Daher war die erste Untersuchung gemäß einem Gutachter ausreichend. Alle nötigen Maßnahmen seien ergriffen worden, ein Ultraschall sei, zumal im Notdienst, nicht einmal unbedingt notwendig erschienen. Die Annahme einer Obstipation sei angesichts der Befundlage ohne klares Krankheitsbild vertretbar gewesen. Für die Wiedervorstellung galt dies nicht: Allein, dass der Patient so schnell trotz Anfahrts- und Wartezeit wieder vorstellig wurde, hätte ein Alarmzeichen sein müssen, zumal nun Erbrechen als neues Symptom dazukam, das mit der vorherigen Diagnose nicht mehr in Einklang stand. Es wäre nun zwar nicht zwingend (wenn auch durchaus sinnvoll) gewesen, nochmals eine Urin- und Ultraschalluntersuchung zu veranlassen – man hätte aber erneut eine gründliche Untersuchung des Bauchs einschließlich Leisten und eben nochmals der Hoden vornehmen müssen. Dies unterlassen zu haben, werte
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