Alter(n) als wertvolle Lebensphase erleben

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REPORT


per · S. Graumann Fachbereich Sozialwesen, Abteilung Münster, Katholische Hochschule NRW, Münster

Alter(n) als wertvolle Lebensphase erleben Herausforderungen und Chancen für Menschen mit geistiger Behinderung

Die Personengruppe der Menschen mit geistiger Behinderung1 wird erst in den letzten Jahren allmählich als Adressatengruppe der Gerontologie wahrgenommen. Die lange währende gesellschaftliche Unsichtbarkeit dieser Personengruppe hat sowohl mit der demographischen Entwicklung als auch mit überwiegend negativen Zuschreibungen zu tun: Zusätzlich zu einer lebenslangen Behinderung alt und pflegebedürftig zu werden, wird dabei eher als Einschränkung denn als Chance für das Erleben von Lebensqualität betrachtet. Der Beitrag nimmt diese Spur auf und fragt nach den Chancen, das Alter(n) als wertvolle Lebensphase für die Personengruppe der Menschen mit geistiger Behinderung erlebbar zu machen.

Alters- und Behinderungsbilder In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Alter(n) dominieren bestimmte stereotypische Altersbilder. Was als „alt“ attribuiert wird, lässt sich nur in der Differenz zu „jung“ feststellen, die Kategorie Alter kann also als Differenzkategorie beschrieben werden. Als Gegenpole können dabei die Bilder der „jungen Alten“ und der „alten Alten“ bestimmt werden [11]. Die „jungen Alten“ und ihre Kauf1

Ausgehend von einem biopsychosozialen Modell wird geistige Behinderung in diesem Beitrag als ein Zusammenspiel unterschiedlicher (individueller, biologischer und sozialer) Faktoren verstanden, die eine kognitive, lebenslange Beeinträchtigung zur Folge haben.

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kraft wurden längst entdeckt. Nicht nur als Zielgruppe für die Konsumindustrie sind sie interessant geworden, sondern ihnen wird im Paradigma des aktivierenden Sozialstaats darüber hinaus eine aktive Rolle im Gemeinwesen zugesprochen: Als bürgerschaftlich Engagierte sollen sie ihr Potenzial hier einbringen. Mit Betonung einer derartigen Produktivität entsteht in der Differenz zu den „jungen Alten“, die medial und gesellschaftlich überwiegend negativ konnotierte Kategorie der „alten Alten“ mit vielfältigen Defiziten. Diese werden überwiegend als hilfebedürftig, gebrechlich, eben unproduktiv attribuiert. Die Personengruppe der älteren Menschen mit Behinderung ist in der Regel einem doppelt defizitären Blick ausgesetzt, denn sie läuft Gefahr, nicht nur als „alt“ sondern auch noch als „behindert“ bezeichnet zu werden. Damit sind sie besonders gefährdet, nicht (mehr) als Subjekte wahrgenommen, sondern auf den Status als hilfebedürftige Objekte von Pflege reduziert zu werden. Die auf diese Weise entstandenen „Altersbilder sind … immer vor dem Hintergrund von Machtverhältnissen zu betrachten und sie sind insofern wirkmächtig, als dass sie nicht einfach Wirklichkeit abbilden, sondern Wirklichkeit herstellen. … Altersbilder sind somit nicht bloß deskriptiv, sie sind vielmehr normativ“ [11]. Dabei verändern sich die Formen und „Formationen“ der gesellschaftlichen Exklusion der negativ konnotierten Lebensformen: An die Stelle