Das Bild des Kindes in der westlichen Welt
Jede Gesellschaft hat Leitbilder, an denen sich Menschen und Institutionen orientieren. Dazu gehören auch Bilder des Kindes, von Kindheit, die in Menschenbildern, d.h. der Vorstellung des guten und kompetenten Menschen, verhaftet sind. Kompetenz bedeutet,
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Das Bild des Kindes in der westlichen Welt
Jede Gesellschaft hat Leitbilder, an denen sich Menschen und Institutionen orientieren. Dazu gehören auch Bilder des Kindes, von Kindheit, die in Menschenbildern, d. h. der Vorstellung des guten und kompetenten Menschen, verhaftet sind. Kompetenz bedeutet, sich in einem bestimmten Umfeld zurechtzufinden, autonom handeln zu können und sich materiell versorgen zu können. Ein guter Mensch zu sein bedeutet, sich an den moralischen und ethischen Standards dieses Umfelds zu orientieren, sie einzuhalten und zu ihrer Verbreitung beizutragen. Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden sind damit noch nicht definiert, sollten sich aber aus der Konkordanz dieser Bereiche zwangsläufig ergeben. Wie solche Leitbilder und Bilder vom Kind entstehen ist Gegenstand historischer, soziologischer, anthropologischer, philosophischer Analysen, die hier nicht geleistet werden können. Für den hier diskutierten Zusammenhang ist wichtig, dass sie vor allem im Zusammenhang mit sozioökonomischen und soziodemographischen Parametern zu sehen sind. Das heißt also, das Bild vom Kind ist abhängig von der ökonomischen und soziodemographischen Lage ihrer Kreateure. Aus verschiedenen internationalen wie nationalen Studien (z. B. der oben zitierten Bertelsmann-Studie von 2008) wissen wir, dass ökonomischer Erfolg an Bildungserfolg im formalen1 Schulwesen gekoppelt ist. Mit dem Niveau der formalen Schulbildung gehen aber auch andere, nicht augenscheinliche Veränderungen einher. So nimmt zum Beispiel die Anzahl der Kinder mit der Höhe der Schulbildung ab, eine scheinbar paradoxe Konsequenz, würde doch die implizierte bessere ökonomische Situation die Versorgung von einer größeren Anzahl von
Mit der Betonung des formalen Schulwesens soll deutlich gemacht werden, dass Bildung nicht nur in formalen, nach westlichem Muster funktionierenden Schulen vermittelt wird, sondern dass sehr wichtige Bildungsinhalte auch in der Familie, transgenerational und mit anderen als schulischen Vermittlungsmethoden übertragen werden. 1
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 H. Keller, Die Entwicklung der Generation Ich, essentials, DOI 10.1007/978-3-658-10392-7_2
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Kindern erlauben. Mit der Anzahl der Kinder verändern sich auch die sozialen Umgangsformen, die Pflege/Betreuung wird individueller, exklusiver. Psychologische und ökonomische Investitionen werden größer. Das Erstgeburtsalter steigt, d. h. Elternschaft beginnt relativ spät in der individuellen Biographie – zwischen Ende 20 und Ende 30. Zu dem Zeitpunkt sollte die berufliche Karriere konsolidiert und andere Vorhaben der Lebensplanung, wie z. B. größere Reisen, realisiert sein2. Diese Konstellation begünstigt und erlaubt ein Modell elterlicher Fürsorge, das das individuelle Kind in den Mittelpunkt stellt und die soziale Umwelt in der Pflicht sieht, die Bedürfnisse und Wünsche dieses Kindes zu erspüren und feinfühlig zu beantworten. Die sehr populäre Bindungstheorie (s. z. B. Grossmann und Grossmann 2011) definiert eine sensiti
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