Kinder: Patienten zweiter Klasse?

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REPORT


PR A X I SM A NAGE M E N T

Kinder: Patienten zweiter Klasse?

Der gangbare Weg. Sind Komposit-Füllungen in Adhäsivtechnik zur Behandlung der Milchzähne adäquat? Eine private Krankenversicherung befand kürzlich: nein. Eine höchst fragwürdige Einschätzung, die weder wissenschaftlich noch rechtlich begründet ist.

„Für die geplante Füllungstherapie der Milchzähne sind Komposit-Füllungen ohne Adhäsivtechnik nachvollziehbar.“ So jedenfalls sieht es aktuell eine deutsche private Krankenversicherung im Schriftwechsel mit den Eltern des privat krankenversicherten Kindes, dessen Milchzähne mit Komposit-Materialien in Adhäsivtechnik gefüllt werden sollen. Bedeutet das, dass die GOZ-Nummern 2060, 2080, 2100 und 2100 für Milchzähne nicht berechenbar sind? Die von der Versicherung gewählte Formulierung legt nahe, dass für Milchzähne nur Restaurationen mit plastischem Füllungsmaterial ohne Konditio-

DER FREIE ZAHNARZT - Oktober 2020

nierung beziehungsweise ohne Anwendung der dentinadhäsiven Befestigung medizinisch notwendig sein sollen. Es wird demnach auf die GOZ-Nummern 2050, 2070, 2090 und 2110 verwiesen. Die Punktzahlen dieser Nummern liegen mit 213, 242, 297 und 319 deutlich niedriger als die der Komposit-Füllungen in Adhäsivtechnik (527, 566, 642 und 770 Punkte).

WAS MEDIZINISCH NOTWENDIG IST

Aber ist so eine Leistungseinschränkung rechtens? Gemäß § 1 GOZ „Anwendungsbereich der GOZ“ darf der Zahnarzt „Vergütungen (…) nur für Leistun-

gen berechnen, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind“. Wenn Adhäsivtechnik für Milchzähne nicht medizinisch notwendig ist (im Originalton der Versicherung nicht „nachvollziehbar“ ist), darf der Zahnarzt sie nicht berechnen. Die Definition der (zahn)medizinischen Notwendigkeit beschäftigt seit Jahren die deutsche Rechtsprechung. Die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit i. S. d. Versicherungsbedingungen hat bereits 1986 zu einem Urteil geführt (IVa ZR 78/85), in dem der BGH eine Definition der objektiven Notwen-

© Pixel-Shot / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)

AUTOR: DR. DR. ALEXANDER RAFF

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digkeit unternimmt, die 34 Jahre danach volle Gültigkeit besitzt. Dort heißt es: „Von der Notwendigkeit einer Behandlung ist auszugehen, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das ist im Allgemeinen der Fall, wenn eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit (…) zu heilen oder zu lindern.“ In einem weiteren Urteil vom 12.03.2003 (IV ZR 278/01) hat der BGH außerdem aufgeführt, dass die Wortkombination „medizinisch notwendig“ offensichtlich nur auf medizinische, nicht aber auch auf Kostengesichtspunkte – also im vorliegenden Beispiel die Wahl der preisgünstigeren nichtadhäsiven Füllungsvarianten im Milchgebiss – abstelle.

WAS DIE WISSENSCHAFT DAZU SAGT

Woher nimmt die Ver