Rechtsprechung kurz berichtet
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htsprechung kurz berichtet
https://doi.org/10.1007/s00350-020-5691-z
Carolin Wever I. Kommentierte Gerichtsentscheidungen Arzthaftungsrecht OLG Dresden, Urt. v. 7. 7. 2020 – 4 U 352/20
Zum Anscheinsbeweis im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsfehlers bei Auffinden eines Bauchtuches im Körper des Patienten Das OLG Dresden beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit das Gericht bei einem später im Darm eines Patienten aufgefundenen Bauchtuch selbst erforschen muss, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt. Der Kläger war beim Beklagten zur Entfernung eines Karzinoms im Enddarm operiert worden. Während der sich daran anschließenden Chemotherapie bekam der klagende Patient Fieber, einen Harnwegsinfekt und eine Pneumonie. Man konnte zunächst die Ursache dafür nicht feststellen. Fünf Monate nach der ursprünglichen Operation und nach einer zunächst beschwerdefreien Zeit entdeckte man bei weiteren Untersuchungen ein 25 cm großes, zusammengepresstes grünes Bauchtuch in der Darmlichtung des Colon sigmoideum. Dieses wurde sodann operativ entfernt. Der Kläger behauptet, das Bauchtuch sei bei der Darmkrebsoperation grob fehlerhaft in seinem Darm vergessen worden. Die Beklagte bestreitet dies und führt an, eine Zählkontrolle sei erfolgt. Zudem sei der Pathologe bei einer histologischen Untersuchung des Bauchtuchs zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger sich dieses nur selbst per anal eingeführt haben könne. Wäre es nach der ursprünglichen Operation vor mehr als fünf Monaten im Darm des Klägers verblieben, hätte dies eine schwerwiegende Störung der Darmpassage verursacht, die ein Überleben nach der Operation unmöglich gemacht hätte. Das LG Leipzig hatte in der Vorinstanz die Klage ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die Aussage der Beklagten, dass eine Zählkontrolle durchgeführt worden sei, spreche gegen das Zurücklassen des Bauchtuchs bei der ursprünglichen Operation. Jedenfalls aber sei der zugunsten des Klägers streitende Anscheinsbeweis durch das Ergebnis der pathologischen Untersuchung widerlegt. Das die Berufung des Klägers verhandelnde OLG Dresden hält die Beweiserhebung des LG für unzureichend: Das LG habe mit Abweisung der Klage ohne vorherige Hinzuziehung eines medizinischen Sachverständigen aus Sicht des Senats die in Arzthaftungssachen an die Klägerseite zu stellenden Anforderungen überspannt. Hierin liege eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Im Arzthaftungsprozess dürften nur maßvolle Anforderungen an die Darlegungs- und Substantiierungslast des klagenden Patienten gestellt werden. Daher müsse das Gericht – soweit die Patientenseite diesen maßvollen Anforderungen genügt – den Sachverhalt „von Amts wegen“ auf klären. Die primäre Darlegungslast des Patienten sei also eingeschränkt, um eine prozessuale Waffengleichheit zwischen den Parteien herzustellen. Die gesteigerte Pflicht des Gerichts zur Auf klärung des Sachverhalts könne auch bedeuten, dass das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen muss. Bearbeitet von Recht
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