Visuelle Halluzinationen

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REPORT


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OPHTHALMOLOGIEPFLEGE

CH. BALON

Photo: © bestdesigns / Getty Images / iStock

Visuelle Halluzinationen Das Charles Bonnet-Syndrom bleibt oft unerkannt Betroffene nehmen zwar optische Scheinobjekte wahr, sind sich aber bewusst, dass diese nicht real sind.

Lichtblitze, vergrößerte oder verkleinerte Personen oder Gegenstände, schwebende Gestalten, Straßenumzüge mit Kutschen – optische Halluzinationen müssen nicht unbedingt ein Zeichen einer neurologischen Störung sein. Sie können auch Begleiterscheinung einer Augenerkrankung sein. Nach dem Erstbeschreiber ist das Phänomen Charles Bonnet-Syndrom benannt und es wird häufig nicht berichtet und nicht erkannt. Das Charles Bonnet-Syndrom (CBS) ist definiert als das Auftreten von optischen Halluzinationen bei vorwiegend älteren Patienten, ohne Vorliegen psychopathologischer oder neurologischer Auffälligkeiten. Es kommt meist in Verbindung mit einer Verschlechterung der Sehleistung im Rahmen einer Augenerkrankung vor, selten hat es neurologische Ursachen. Da die meisten Patienten über ihre Erlebnisse schweigen, da sie befürchten, als psychisch krank stigmatisiert zu werden, gibt es wenige Fallgeschichten über dieses Phänomen. Im deutschsprachigen Raum ist das CBS fast unbekannt und wird in der Pflegeliteratur marginal bis nicht erwähnt.

CHRISTIAN BALON, MSC Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege Österreich © SPRINGER-VERL AG GMBH AUSTRIA EIN TEIL VON SPRINGER N AT U R E 2 0 2 0

PROCARE 8 | 2020

Historischer Rückblick 1760 berichtete der Schweizer Philosoph und Naturforscher Charles Bonnet vom Auftreten visueller Halluzinationen bei seinem psychisch gesunden Großvater Charles Lullin, der durch einen Katarakt an einer eingeschränkten Sehleistung litt. Lullin berichtete von Männern, Frauen, Vögeln, Kutschen und anderen Objekten, die er in seiner Umgebung sah, wobei er sich dem nicht realen Charakter seiner Wahrnehmung stets bewusst war. Charles Bonnet berichtete 1760 folgendermaßen: „Ich wollte nur sagen, dass ich einen anständigen Mann kenne, der sich in

bester Gesundheit befindet, der zuverlässig ist, mit gutem Urteilsvermögen und gutem Gedächtnis, der mit reinem Gewissen und unabhängig aller Eindrücke seiner Umgebung, von Zeit zu Zeit Figuren von Männern, Vögeln, Kutschen und Gebäuden wahrnahm. Er sah, dass die Figuren verschiedene Bewegungen machten, sich näherten, sich entfernten, flohen, wie sie kleiner oder größer wurden, verschwanden und wieder erschienen. Er sah Gebäude vor seinen Augen aufsteigen. Für ihn schienen sich die Wandteppiche in seinem Zimmer ständig zu ändern. Er sah Männer und Frauen, die aber nicht mit ihm sprachen. Es ist wichtig zu bemerken, dass der alte Mann niemals das Gefühl hatte, die Visionen seien Wirklichkeit.“ (Grünzig 2007, S. 61). Ironisch wie das Schicksal sein kann, verschlechterte sich das Sehvermögen von Charles Bonnet im höheren Alter und er litt selbst an den von ihm beschriebenen Halluzinationen. Erst 1936 wurde diesem Phänomen durch den Neurologen Georges De Morsier der Name Charles Bonnet- Syndrom gegeben (