Anspruch auf Hodenimplantate nach Entfernung wegen Krebs

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REPORT


Gerichtsbeschluss

Anspruch auf Hodenimplantate nach Entfernung wegen Krebs Müssen die Hoden bei einer Krebsbehandlung vollständig entfernt werden, haben Patienten ein Recht auf Implantate. Gemäß einem B­ eschluss des Sozialgerichts München besteht ein ­Leistungsanspruch zur Wiederherstellung der körperlichen Integrität des Versicherten. Müssen Männern mit Hodenkrebs die Hoden entfernt werden, haben sie ein Recht auf Implantate. Denn sie haben Anspruch darauf, dass ihre durch den medizinischen Eingriff beeinträch­ tigte „körperliche Integrität“ so weit als möglich wiederher­ gestellt wird, wie jetzt das Sozialgericht München entschied (Az.: S 54 KR 1172/19) . Die Situation sei vergleichbar mit der krebsbedingten Entfer­ nung einer weiblichen Brust, nach der Krankenkassen ebenfalls Implantate bezahlen. Dem heute 37-jährigen Kläger mussten im Jahr 2018 aufgrund eines beidseitigen Hodentumors beide Hoden entfernt werden. Bei seiner Krankenkasse beantragte er die Kostenübernahme für Hodenprothesen. Die Kasse lehnte dies jedoch auch im ­Widerspruchsverfahren ab.

Psychische Belastung begründet Leistungsanspruch nicht

In der Klage verwies der Mann auf erhebliche psychische Beein­ trächtigungen bei sozialen Kontakten, der Sexualität und sogar beim Sport im Schwimmbad. Das Sozialgericht München gab der Klage nun im Ergebnis statt.Es betonte allerdings, dass auch eine psychische Folge­ erkrankung nicht zu dem Leistungsanspruch führt. Dies habe auch das Bundessozialgericht in Kassel beispielsweise im Fall ei­ ner Frau mit ­ungleichen Brüsten entschieden; psychische Prob­ leme seien danach therapeutisch zu behandeln. Auch sei das Feh­ len der Hoden nicht so entstellend, dass dies für sich genommen eine Kostenübernahme der Implantate rechtfertigen könne.

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InFo Hämatologie + Onkologie  2020; 23 (12)

So habe das Bundessozialgericht im Fall einer Frau ohne Brüs­ te eine besonders schwerwiegende Entstellung verlangt, die „quasi im Vorbeigehen“ die Blicke auf sich zieht und „regelmä­ ßig zur Fixierung des Interesses anderer führt“. Eine derart schwere Entstellung liege hier nicht vor.

Klare Abgrenzung zu kosmetischer Operation

Ein Leistungsanspruch bestehe aber im Zusammenhang mit der krankheitsbedingten Entfernung der Hoden. Denn das Gesetz verlange, „dass die körperliche Integrität des Versicherten bei einem medizinisch notwendigen Eingriff möglichst wiederher­ gestellt wird, sei es mit körpereigenem oder mit körperfremdem Material“. In solch einem Fall gehe es rechtlich nicht um eine kosmetische Operation, sondern um die möglichst weitgehen­ de Wiederherstellung des Zustands vor einer medizinischen ­Behandlung. Mit seinem bereits rechtskräftigen Urteil übertrug das Sozialgericht München die Rechtsprechung und die entspre­ chende Praxis der Krankenkassen bei Frauen mit Brustkrebs. Sie ­bekommen Implantate bezahlt, wenn eine Brust entfernt werden musste.

Martin Wortmann JurAgentur Ludwig-Erhard-Straße 12, 34131 Kassel

© Gilmanshin / Getty Images / iStock

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