Facharztstandard und Leitlinien im Arzthaftungsrecht
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A. Wienke1, L. Hübner1, G. Gahn2 1 Wienke & Becker – Köln, Köln, Deutschland 2
Klinik für Neurologie, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH, Karlsruhe, Deutschland
Facharztstandard und Leitlinien im Arzthaftungsrecht Medizinisch-wissenschaftliche Leitlinien von Fachgesellschaften, nationale Versorgungsleitlinien und onkologische Leitlinien spielen in der ärztlichen Praxis eine zunehmend größere Rolle und sind auch aus dem medizinrechtlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Leitlinien sollen den medizinischwissenschaftlichen Erkenntnisstand im Zeitpunkt ihrer Erstellung bündeln und abbilden. Es handelt sich dabei um Hilfen bei der Entscheidungsfindung in spezifischen Behandlungssituationen, die jedoch keinen rechtsverbindlichen Charakter haben. Ist eine ärztliche Handlung nicht leitlinienkonform, kann daher hieraus nicht automatisch eine Standardunterschreitung hergeleitet werden. Und umgekehrt befreit das Befolgen einer Leitlinienempfehlung im Einzelfall nicht automatisch vom Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einer beachtenswerten Entscheidung noch einmal bestätigt (OLG Köln, Urteil vom 15.10.2018, AZ: 5 U 76/16).
In dem Rechtsstreit ging es u. a. um Schmerzensgeldansprüche wegen des Vorwurfs einer nicht leitliniengerechten Vorgehensweise im Rahmen einer laparoskopischen Blinddarmentfernung. Der Operateur hatte die Trokaröffnung von 12 mm nicht durch eine Fasziennaht verschlossen. Die adipöse Patientin erlitt später eine Trokarhernie, wodurch es zur Einklemmung und Perforation des Darms kam. Die Patientin verstarb schließlich infolge eines septischen Schocks. Die zum Zeitpunkt der Behandlung geltende Leitlinie enthielt die Empfehlung, bei Trokarzugängen von mehr als 10 mm auch die Faszie zu verschließen.
tuation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat.“ Auch der Bundesgerichtshof nahm in vorangegangenen Verfahren mit dieser Argumentation eine Abgrenzung der Ziele und Aufgaben medizinischer Leitlinien vom rechtlich bedeutsamen Standard vor (vgl. z. B. BGH Urteil vom 24.02.2015, AZ: VI ZR 106/13). Der vom OLG Köln beauftragte ärztliche Sachverständige hatte im Rahmen der Beweisaufnahme erläutert, dass etwa die Hälfte der Operateure im Zeitpunkt der damaligen Operation die Trokaröffnung grundsätzlich nicht oder nur in hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen verschlossen habe. Die Versorgung von Trokarzugängen sei zum damaligen Zeitpunkt umstritten gewesen. Dazu komme, dass damals ein bedeutender Teil der Ärzte auch in vergleichbaren Fällen aus verschiedenen medizinischen Gründen von der Leitlinie abgewichen sei. Aufgrund dieser Bewertungen des Sachverständigen kam das OLG Köln zu der Überzeugung, dass in dem Nichtverschließen der 12 mm großen Trokaröffnung jedenfalls im Behandlu
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