Auch die Kultur ist systemrelevant!

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REPORT


DOI: 10.1007/s10273-020-2771-7

Corona-Krise

Auch die Kultur ist systemrelevant! Dieses Plädoyer ist seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie medial häufig zu vernehmen. Branchenvertreter*innen richten damit einen eindringlichen Appell an die Politik und argumentieren, dass auch die Kultur einen erheblichen wirtschaftlichen Beitrag leiste, der zwar nicht gänzlich mit monetären Maßstäben bewertet werden könne, jedoch grundsätzlich schutz- und förderwürdig sei. Dazu wird oftmals die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft angeführt, die laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit einer Bruttowertschöpfung von etwa 100 Mrd. Euro 3,3 % zur Gesamtwertschöpfung im Jahr 2018 beigetragen hat. Doch in dieser Rechnung sind auch Sparten wie die Software- und Games-Industrie oder die Film- und Rundfunkwirtschaft enthalten – also Wirtschaftszweige, die von der Krise teilweise sogar profitiert haben und von den neuerlichen Lockdown-Maßnahmen wenig bis gar nicht betroffen sind. Um ein besseres Bild der wirtschaftlichen Bedeutung von derzeit geschlossenen Kultureinrichtungen wie Theatern, Konzerthäusern und anderen zu erhalten, bedarf es jedoch einer genaueren Betrachtung der amtlichen Statistik. Dann zeigt sich, dass deren wirtschaftliche Bedeutung mit einem Anteil von etwa 0,75 % an der Bruttowertschöpfung vergleichsweise gering ausfällt. Vor dem Hintergrund dieser nüchternen Zahlen lässt sich der Systemrelevanz-Anspruch des Kultursektors rein monetär zunächst nur bedingt rechtfertigen. Allerdings ist diese isolierte Betrachtung der Statistik nicht ganz zielführend, schließlich können von der Kulturbranche auch bedeutsame indirekte Wirkungen ausgehen. Dass diese Spillover-Effekte auch über die Kulturbranche hinaus für Wertschöpfung verantwortlich sind, zeigen Studien des ifo Instituts zum Einfluss des Kultursektors auf die regionale Entwicklung. Eine Erkenntnis daraus ist, dass das regionale Kulturangebot ein wichtiger Faktor in der Standortentscheidung von hochqualifizierten Arbeitskräften ist. Dort wiederum, wo sich ein hoher Anteil an Hochqualifizierten angesiedelt hat, kommt es zu Wissens-Spillovern: Effekte, die entstehen, wenn Hochqualifizierte zusammenarbeiten oder sich beim Mittagessen oder Ähnlichem treffen und Ideen und Wissen austauschen. Diese Wirkungskette führt zu einer höhe-

© Der/die Autor(en) 2020. Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https:// creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht. Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert.

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ren Produktivität bzw. höheren Löhnen über alle Qualifikationsstufen hinweg und letztlich zu einem Anstieg der Wirtschaftskraft in der Region. Nach dieser Argumentation kann Kultur in der Tat als ein schützenswertes Gut im Sinne einer profitablen Investition angesehen werden. Hilferufe der Branche nach Unterstützung in der Pandemie sollten also von der Politik ernst genommen werden. Dabei könnte jedoch ein Fokus auf Hilfen zur Überbrückung der