Die Rolle des Mikrobioms in der Urologie

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G. Magistro · J. Marcon · L. Eismann · Y. Volz · C. G. Stief Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland

Die Rolle des Mikrobioms in der Urologie Hintergrund „Der Harntrakt ist steril“ ist ein seit Jahrzehnten bestehendes Dogma der Medizin. Mit Anbeginn der mikrobiologischen Urindiagnostik wird mit standardisierten Kultivierungsprotokollen nach Mikroorganismen mit pathogenem Potenzial bei Verdacht auf ein infektiologisches Geschehen gesucht. Das klassische Verständnis setzt dabei voraus, dass diese Mikroorganismen bei gesunden Menschen im Harntrakt nicht vorkommen, sie eine gewisse Pathogenität aufweisen müssen und sie als Reinkultur in einer bestimmten Quantität vorliegen müssen. Bei entsprechender Symptomatik bestätigt somit die Urinanalyse die Diagnose einer Harnwegsinfektion (HWI). Dieses etablierte Konzept stellt weiterhin trotz einiger grundsätzlicher Überlegungen und Fakten den Standard dar.

Der Terminus Mikrobiom »umfasst die Gesamtheit aller mikrobiellen Faktoren und des Wirtsorganismus Zu bedenken ist, dass der Harntrakt ein offenes System zur Umwelt darstellt und wieso sollte analog zum Mundrachenraum oder der Hautoberfläche nicht dort auch ein natürliches mikrobielles Ökosystem angepasst an die dort bestehenden Bedingungen vorliegen? Zudem ist bekannt, dass der gesunde menschliche Körper bis zu 10-mal mehr Mikroorganismen aufweist als körpereigene Zellen. Dieses Verhältnis macht fast 3 % der Körpermasse aus, also >2 kg Bakterien

in einem gesunden Menschen mit 70 kg Körpergewicht. Im Jahre 2007 wurde das vom National Institute of Health (NIH) finanzierte „Humane Genomprojekt“ initiiert mit dem Ziel, eine umfassende Charakterisierung des menschlichen Mikrobioms zu erarbeiten. Im Jahre 2012 wurden die Ergebnisse erstmals vorgestellt [1, 2]. Grundsätzlich bestand die Zielsetzung in der Erstellung einer Referenzdatenbank, die Aufschluss zum Beitrag des Mikrobioms zur Pathogenese unterschiedlicher Erkrankungen geben sollte. Mit modernsten molekularen Techniken („16S rRNA sequencing, metagenomic profiling“) wurden 4788 Proben von bis zu 18 Körperstellen der 242 Studienteilnehmer analysiert. Das gewonnene Probenmaterial deckte dabei 5 Hauptkompartimente ab, nämlich den Respirationstrakt, den Oropharynx, den Gastrointestinaltrakt, die Haut und bei weiblichen Probanden zusätzlich den Genitalbereich. Das Resultat war eine erste Blaupause zum Aufbau, der Diversität und der Funktion des Mikrobioms des Menschen. Interessanterweise waren keine Urinproben in diesem Projekt vorgesehen, begründet durch technische Bedenken der Probengewinnung und insbesondere durch das Sterilitätskonzept des Harntraktes. Mit zeitlichem Verzug wurden dann schließlich auch Urinanalysen mit den neuen Hochdurchsatzsequenzierungstechniken und modifizierten Kultivierungsverfahren durchgeführt, was den Harntrakt als komplexes mikrobielles Ökosystem in ein komplett neues Licht rückte. Insgesamt erschließt sich immer mehr ein neues Konzept, in dem das Mikrobiom einen wesent