Nicolas Bourbaki und die heutige Mathematik

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ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN HEFT 76

Henri Cartan

Nicolas Bourbaki und die heutige Mathematik

WESTDEUTSCHER VERLAG· KÖLN UND OPLADEN

ISBN 978-3-322-96136-5 ISBN 978-3-322-96270-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-96270-6

© 1959 Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag· Printed in Germany

Nicolas Bourbaki und die heutige Mathematik Von Professor Dr. Henri Cartan, Paris Nicolas Bourbaki ist der Verfasser eines umfangreichen, in französischer Sprache geschriebenen Lehrbuches der Mathematik. Wenngleich der erste Band bereits 1939 erschien, ist das Gesamtwerk noch keineswegs vollendet; bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind 21 Bände mit insgesamt mehr als 3000 Seiten publiziert. Bourbaki hat auch in mehreren mathematischen Zeitschriften Arbeiten veröffentlicht; unter anderem im "Archiv der Mathematik". Außerdem ist er der Leiter eines Seminars (des sogenannten Bourbaki-Seminars) in Paris: dreimal im Jahr kommen im Institut Henri Poinca namhafte Professoren und Forscher aus ganz Frankreich sowie dem benachbarten Ausland zu einer Konferenz über Mathematik zusammen. Bisher wurden in diesem Seminar etwa 150 Referate über die verschiedensten mathematischen Themen gehalten, die in hektographierter Form in den mathematischen Kreisen der Welt verbreitet sind. In den letzten Jahren ist der Name Bourbaki einem immer größer werdenden Publikum bekannt geworden. Schon mancher mag sich gefragt haben: "Wer ist Bourbaki?" Aus seinen Werken gewinnt man den Eindruck, daß er nicht ein Mathematiker wie jeder andere sein kann. Noch ist es nicht leicht, richtige Auskünfte über ihn zu erhalten, denn nur sehr wenige Menschen sind ihm persönlich begegnet. Wenn Sie etwa solche Auskünfte in den Artikeln suchen, die die Tagespresse sowie einige periodische Zeitschriften Bourbaki gewidmet haben, so werden Sie äußerst erstaunt sein über die vielen einander widersprechenden Aussagen; und wenn Sie angesehene Mathematiker selbst fragen, so bekommen Sie so viele launige Geschichten zu hören, daß Sie nur noch verwirrter werden und sich schließlich ernsthaft fragen: "Existiert Nicolas Bourbaki wirklich?" Um dieses Rätsel zu lösen, wollen wir nun einen vertrauenswürdigen Mann befragen, nämlich den ehemaligen Rektor der Gutenberg-Universität in Mainz, Herrn Professor Dr. Gottfried Köthe. In der Sammlung "Forscher und Wissenschaftler im heutigen Europa" studiert Herr Köthe das

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Werk von Bourbaki; er schreibt: "Die biographischen Daten unseres Autors sind etwas verwickelt und geheimnisvoll"; aber nichts weiter ... Glücklicherweise gab mir ein griechischer Freund die Möglichkeit, die Herkunft des Geschlechtes Bourbaki zu entdecken. Daher kann ich Ihnen heute die folgende kuriose Geschichte erzählen. Die Sage will, daß im siebzehnten Jahrhundert die kretischen Patrioten gegen die eindringenden Türken unter dem Befehl zweier Brüder kämpften: Emanuel und Nicolaus Skordylis. Diese beiden kämpften so tapfer und heldenhaft, daß sie von den Türken "Vourbachi" genannt wur